Wenn das Pubärtel den Ruf der großen weiten Wildnis vernimmt

Wenn das Pubärtel den Ruf der großen weiten Wildnis vernimmt …

Eben noch schaut sie mich mit ihren großen Welpenaugen an, das Fell ist ihr noch viel zu groß und die Ohren wehen beim Herankommen wild im Wind umher.

Ich bin zufrieden mit dem was wir beide uns in den letzten Monaten zusammen erarbeitet haben…

Das Folgen mit und ohne Leine macht sie ganz wunderbar. Sie kommt in Windeseile auf Pfiff oder Zuruf heran, trägt mir stolz ihre Funde zu, setzt sich dabei hin und wartet bis sie es mir in die Hand legen darf. Die ersten Spuren wurden ausgearbeitet, am abgelegten Rucksack kommt man gerne zur Ruhe und macht dort auch schon mal ein Nickerchen, egal was außen herum so alles passiert.

Und eines Morgens steht man auf und alles ist anders. Wer genau hat mir diesen netten kleinen Welpen geklaut und mir im Austausch dafür dieses Monster vor die Füße gesetzt? Ein ungelenkes, schlaksiges etwas dem das Hirn vom kleinen grünen Männchen durch ein trockenes Brötchen ersetzt wurde.

Kontakthalten, Rückruf, Bleiben am Rucksack, was war das noch mal? Hatten wir diese Themen schon einmal angesprochen? Und warum genau willst du das Apportel eigentlich wieder haben? Wusstest du eigentlich das es neben der Spur die du gelegt hast auch noch andere Spuren existieren und das es da noch eine große weite Welt außerhalb deines Dunstkreises gibt?

Ich atme durch und versuche mir die Fakten vor Augen zu halten und das ganze nicht so ganz persönlich zu nehmen (was manchmal wirklich funktioniert) …

Sie befindet sich in der pupertären Phase, wie so jeder Hund zwischen dem 5. und dem 12. Monat. Der eine ist halt etwas früher dran und schneller durch (meistens kleine Rassen) und die anderen kommen später dran und brauchen dafür auch etwas länger (größere Rassen).

Die Hunde reifen körperlich und werden geschlechtsreif, was aber noch lange nicht heißt, dass sie auch schon psychisch gereift sind. In dieser Zeit gleicht das Hundegehirn einer Großbaustellen und wird Stück für Stück umstrukturiert. Geradeaus denken scheint unmöglich. Im Moment gilt das Prinzip „Use ist or lose it“!

Alle Vernetzungen in Hirn werden noch einmal auf ihre Wichtigkeit überprüft.

Brauche ich das? Ist das noch relevant, oder kann das weg? Alle Themen die wir nun noch einmal aufs neue miteinander besprechen bleiben relevant und werden gefestigt. Alles andere wird aussortiert. Das heißt für mich im Umgang miteinander schon einmal: ruhig bleiben, Orientierung bieten und klar sein in dem was ich fordere.

Was bedeutet das nun für das Thema Jagen?

Jagen bekommt in dieser Zeit einen größeren Stellenwert. Ernsthaftes Jagdverhalten entsteht. Nun liegt es an mir dieses in die gewünschten Bahnen zu leiten und ich muss mir klar sein was ich von meinem zukünftigen Jagdbegleiter erwarte.

Da ich nicht will, dass sie sich selbstständig entzieht und ihre eigene kleine Jagdgesellschaft abhält, kommt zunächst einfach mal wieder die Schleppleine dran. So können wir noch einmal prima über Dinge wie: wer orientiert sich hier eigentlich an wem, wo darf man sich aufhalten und was war eigentlich noch mal der Rückruf und das Stoppen, reden. Die Schleppleine binde ich mit einfach um. Sie ist nur für den Notfall gedacht und soll nicht mein verlängerter Arm sein. Sie soll nur das selbstständige Entziehen verhindern falls ich mal zu langsam mit meiner Reaktion bin. Ansonsten arbeiten wir mit dem Leinenhandling weiter wie gehabt.

Reize ertragen fällt im Moment verdammt schwer. Frustrationstoleranz ist nicht ihre Stärke. Also werden Lernumgebungen so ausgesucht das der Frust nicht zu hoch ist, das ein Lernen nicht mehr stattfinden kann. Ruheübung, immer und überall, ist die Devise! Die Anwesenheit von Reizen ertragen lernen ohne sofort in die Vollen zu springen. Das gilt ebenso für die Ablage am Rucksack. Es ist zur Zeit recht mühsam. Kleinschrittig geht es vorwärts und so manches mal muss ich echt die Zähne zusammen beißen um nicht unfair zu werden.

Ja, und dann ist da noch die Sache mit der Beute. Gerade unter meinen beiden Hunden ein großes Thema. Meins oder deins! Pfoten weg! Da wird sich ganz klar positioniert und es werden Absprachen getroffen. Mag der Gegenstand auch noch so klein und unbedeutend sein. Aber da sind wir uns einig. Beute wird bei mir abgegeben und im Tausch gibt es auch schon mal die komplette Futterration.

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen!

Ich hoffe das sich die relevanten Vernetzungen im Hirn verstärken, eine fette Myelinschicht drum herum gebildet wird und das ganze dann auch schnell, zuverlässig und ohne großartige Fehlschaltung funktioniert 😉

Und an manchen Tagen wenn dann mal wieder gar nichts geht, nehme ich mir das Julchen und wir wandern ohne Leine durch die Dünen, lassen Fasan, Hase und Co. links liegen und genießen es einmal ohne das Pubärtel draußen zu sein!

 

Und ich weiß das es sich lohnt gerade jetzt dran zu bleiben, Ruhe zu bewahren und sage mir mantraartig: „Alles ist gut und richtig so wie es ist!“

Nicole Lützenkirchen