Alles wieder auf Anfang

Abschied nehmen …

Kein leichter Schritt. Sich bewusst sein das in einer halben Stunde alles anders sein wird als in den letzten 13,5 Jahren. Noch einmal das wohlige brummen hören wenn man ihr die Ohren krault, noch einmal die Nase in das dicke braune Fell stecken …

Abends schaue ich von der Terrasse in den Garten. Unter ihrem geliebten Pflaumenbaum klafft ein großer brauner Fleck, darauf steht ein Kerze.

Mein Mann nimmt mich in den Arm und sagt :“ Weißt du noch … !“

Wir sitzen den ganzen Abend am Esstisch, jeder hat seine ganz eigene Geschichte über Fila zu erzählen. Omas geklaute Butter. Die gefressene Ente. Der Fasan, den sie mir aus der Luft geholt hat und weißt du noch der Fasan auf Texel? Der, der vor das Verkehrsschild geflogen ist? Der den Fila, obwohl sie am Rad war, unbedingt haben wollte?

Und vor allem eins, der eher nicht so ernst gemeinte Satz: “Schatz, wenn du das mit dem Jagdschein durchziehst schenke ich dir zur bestandenen Prüfung so einen richtigen strubbeligen Deutsch Drahthaar.“

Ja das war der Anfang für so ziemlich alles!

Noch absolut grün hinter den Ohren was die Jagerei betrifft, mit einem jungen Deutsch-Drahthaar in die Jagdhundeszene reingepurzelt. Sitz bei Fuß, Down, Voooorrrraaaan apport, suuuuch verwund und so isser brav! Haben wir alles tapfer mitgemacht bis zur VGP und der braune kleine Panzer (wie wir sie liebevoll genannt haben) hat mir so manches mal den Allerwertesten gerettet.

Ich habe die Ausbildungsmethoden damals nicht wirklich hinterfragt. Wird wohl so richtig gewesen sein, habe ich gedacht. Auf den Prüfungen hatten wir Erfolg. Doch ein flaues Gefühl im Magen ist irgendwie immer geblieben. Brüllen und Härte waren damals auch schon nicht so mein Ding. Aber gab es eine Alternative? So, sollte es auf keinen Fall weiter gehen, irgendeinen anderen Weg muss es doch geben.

Es gibt viele Religionen und Götter in der Jagdhundeszene …

Viele Wochenenden, gefahrene Kilometer und hitzige Diskussionen, Aha-Momente und manchmal nur Kopfschütteln bis ich den richtigen Weg für uns gefunden habe. Einmal auf den Kopf zugesagt zu bekomme, dass mein Hund nur ein dressiertes Äffchen ist war ziemlich hart aber heilsam. Also haben wir noch einmal von vorne angefangen, umgedacht, anders gearbeitet und siehe da: ich hatte einen selbstständig denkenden Hund der gerne mit mir zusammen arbeitet, Ideen entwickelt wie wir gemeinsam zum Ziel kommen. In ihrem Tun konnte ich sie nun besser einschätzen und lenken.

Ein echtes Team das meistens nur einem kleinen Wink bedarf um dem anderen zu sagen was jetzt gerade ansteht. Ich hatte auf einmal eine verlässliche Partnerin an meiner Seite! Bis zum letzten Tag!

Und jetzt? Jetzt war es leer hier!

Jule unsere Drahthaarvizsla-Hündin schien auch im luftleeren Raum umher zu irren. Die Chefin war nicht mehr da. Keiner der ihr sagte wo es lang geht, ihr die Kauknochen streitig macht oder an den man sich am Abend still heimlich und leise ankuscheln konnte (wenn man das auch nicht gerne öffentlich zugeben würde). Zwei Wochen hat sie quasi durchgeschlafen, ist nur zum fressen und säubern aufgestanden und dann auch sofort wieder auf die Couch verschwunden.

Nach diesen zwei Wochen war sie erwachsen. Fünf Jahre hatte sie sich dieses kindliche, verspielte, durchgeknallte Vizslasein bewahrt. Jetzt war es fort!

In der Familie war es eigentlich ziemlich klar, das wir nun erst mal mit Jule alleine an der Seite durchs Leben ziehen würden. War ja auch viel einfacher für mich, auf den Seminaren, im Alltag und überhaupt.

 

Für einen Welpen schien keine Zeit und wie viel Zeit lässt man überhaupt vergehen bis man dem Gedanken an ein weiteres Familienmitglied Raum lassen darf. Dieser Gedanke fühlte sich einfach nicht richtig an.

Ja, wäre da nicht dieser entspannte Urlaub gewesen…

So ein Urlaub in dem man nach einer dreistündigen Wanderung auf der Couch rumlümmelt, einen heißen Kaffee in der Hand hat und sich im Internet verliert.

Oha, den Züchternamen kenn ich … da war doch was, man hatte da auf der Messe mal drüber gesprochen. Mensch, das war doch der emphatisches Richter der mir als Erstlingsführerin durch die VGP geholfen hat, mir geduldig erklärt hat was von mir erwartet wird und das ich jetzt mal Gas geben soll. Während der Prüfung eine echte Hilfe für mich. Dafür bin ich ihm immer noch dankbar.Hmmm, ist ja auch gar nicht so weit weg und wie die Welpen aufwachsen ist auch ein Traum! NEIN!

Was soll ich sagen. Ich habe eine Nacht nicht geschlafen und konnte meinem Mann am nächsten Morgen beim Frühstück nicht in die Augen schauen, aus Angst, dass er meine Gedanken sofort errät. Irgendwie war ich auch sonst den ganzen Tag abwesend. Die arme Jule, muss gedacht haben, dass ich total neben der Spur bin. Strand rauf Strand runter. Möwen jagen war erlaubt und deshalb wohl sofort uninteressant. Irgendwas war faul!

Noch in Gummistiefeln, Regenjacke, Mütze und Schal verpackt teilte ich meiner Familie mit das wir ein zusätzliches Familienmitglied bekommen. Das war keine Frage. Es war eine Feststellung. Mir war bewusst, dass ich aus anderer Richtung sicherlich einiges zu hören oder zu lesen bekommen werde und nicht überall mit diesem Hund mit offenen Armen empfangen werde. Ich habe das Für und Wieder immer und immer wieder abgewägt und mich bewußt für diesen Hund entschieden. So zog klein Frieda Mitte März bei uns ein. Ein Welpe um den man sich die ersten acht Wochen liebevoll gekümmert hatte und der wohl behütet mit seinen Geschwistern heranwachsen durfte.

Und dann … dann ist auf einmal wieder alles auf Anfang gestellt!

Schlaflose Nächte, Zewa in Endlosschleife, spitze Zähnchen und blanke Nerven.

Und genau das werden die Geschichten sein die wir uns irgendwann einmal erzählen werden. Dinge die uns im Moment noch graue Haare wachsen lassen, werden uns dann ein schmunzeln abringen. Sorry Christian, es tut mir echt leid für dein Fernglas, deine Filzpantoffeln und von der kaputten Schlafanzughose hab´ ich dir noch gar nichts erzählt …

Was wünsche ich mir für die gemeinsame Zukunft?

Es wäre klasse wenn wir zum Team werden, auf der Jagd wie auch im Alltag. Ich Klein-Frieda in ihrem Tun lesen und fördern kann und sie so akzeptiere wie sie ist (ja, es ist wieder eine liebenswerte Knalltüte mit einer Menge Ideen für Unsinn). Ich möchte ihr Potential weiter entwickeln und niemals den Respekt vor ihren Fähigkeiten verlieren oder als selbstverständlich erachten.

Genau heute ist sie ein halbes Jahr alt. Wir haben den Grundstock für Ruhe und Gelassenheit gelegt. Sie ist gern an meiner Seite (so langsam kommt aber das Pubärtel raus), apportiert mit Freude und arbeitet schon die ersten kleinen Spuren. So kann das ganze ruhig weiter gehen. Manchmal muss ich mich allerdings ein bisschen bremsen, erwarte zu viel und muss langsamer machen. Ich glaube sie verzeiht es mir, baut dann schnell eine ihrer Ideen ein und ich weiß sofort wo der Hase lang läuft.

Dankbar sein …

So richtig „weg“ ist Fila nicht und wird es auch nie sein. Sie hat eine Menge Erfahrungen hinterlassen auf die ich nun zurückgreifen kann, oder Erfahrungen die ich so nicht mehr machen möchte. Sie hat den Weg bereitet für Klein-Frieda. Damit wir von Anfang an ein besseres Team werden, uns manche Erfahrungen sparen können und auf Augenhöhe miteinander umgehen. Im Familienalltag, im Training mit meinen Kunden und auf der Jagd. Manchmal ist es an der das Zeit das man sich trennen muss, egal in welchem Zusammenhang. Das tut unter Umständen echt weh. Aber man kann immer dankbar zurück schauen und lernen es besser zu machen. Mutig sein, zu dem stehen was man tut und dann nach vorne schauen.

Ja und jetzt sitzen Jule, Frieda und ich unter Filas Pflaumenbaum. Jule zählt Amseln und Frieda frisst Pflaumen. Wie soll es auch anders sein bei einem DD … hab´ ich wirklich etwas anderes erwartet?

Ich freue mich auf das was da kommt!

Nicole Lützenkirchen

23.Juli 2019

 

Danke liebe Inga Haase für die Bilder (Flainfotografie)